35269x Apscheronsk
Apscheronsk liegt in Südrussland und gehört zur Region Krasnodar.
Die am 6. September 2008 eingeweihte Kriegsgräberstätte Apscheronsk wird der zentrale Sammelfriedhof für alle deutschen Gefallenen des Zweiten Weltkrieges im Kaukasus und im Gebiet des ehemaligen Kubanbrückenkopfes sein. Der etwa 3,1 Hektar große Friedhof befindet sich rund zwölf Kilometer vom Ort entfernt. Über 6600 Tote hat der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge bisher dort zur letzten Ruhe gebettet. Etwa 30.000 können auf dem Gelände bestattet werden. Rund 130.000 deutsche Soldaten, in der Mehrzahl Gebirgsjäger, und die ungefähr gleiche Anzahl an russischen Soldaten fanden in den Kämpfen um den Kubanbrückenkopf zwischen 1942 und 1943 den Tod.
(Quelle: wikipedia)
weitere Informationen unter: http://www.volksbund.de/presse/im_blickpunkt/?id=169&sort=3574
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Hier ein Beitrag von md11:
Ein Besuch auf dem Soldatenfriedhof Apscheronsk im Nordkaukasus
Sechs frisch aufgeworfene Erdhügel mitten in der Dorfstraße. Sie stammen von geöffneten Gräbern, in denen noch Skelett-Reste zu sehen sind. Scheue Blicke aus Nachbargrundstücken. Kinder, die sich hingegen balgen, um fotografiert zu werden. Betretene Gesichter der deutschen Reisegruppe.
Saratowskaja ist eine dieser gesichtslosen russischen Landgemeinden in jenem Teil des Nordkaukasus, wo sich die Hügel schon zur Kubanebene hin abflachen, dort liegt Krasnodar, das Zentrum der Industrie und einer florierenden Landwirtschaft.
In dieser Gegend, die heute so friedlich wirkt, hat vor mehr als 65 Jahren eine der schlimmsten Schlachten des Zweiten Weltkriegs getobt. 130000 deutsche Soldaten kamen von Sommer 1942 bis Herbst 1943 zwischen Rostow am Don und dem Hochgebirge des Kaukasus um. Die Schule von Saratowskaja diente damals als Not-Lazarett, in dem Ärzte und Sanitäter verzweifelt versuchten, die Verwundeten notdürftig zusammenzuflicken. Die verstorbenen Kameraden hat man eilig verscharrt. Immer wieder tauchen auch heute noch Gebeine auf. Wie diese auf der Dorfstraße von Saratowskaja.
Das ist die Stunde des Gruppenleiters des Umbettungsdienstes in Südrussland. Er geht von 200 Toten aus, die hier am Ort begraben liegen und , deren sterbliche Überreste nun eine letzte Heimat finden sollen. Der Gruppenleiter muss sich beeilen „Es gibt einen florierenden Markt für militärische Gegenstände”, erklärt er. Gesammelt werde alles, was sich verkaufen lässt: deutsche Stahlhelme, Koppelschlösser, Goldzähne oder Erkennungsmarken.
Letztere sind besonders wichtig für die Leute vom Umbettungsdienst. Gelingt ihnen die Identifizierung, werden die Angehörigen in Deutschland umgehend benachrichtigt. Die Gebeine finden dann eine letzte Heimat auf einem der Soldatenfriedhöfe. Die bisher in Saratowskaja aufgefundenen Toten werden auf dem jüngst eingeweihten Soldatenfriedhof in Apscheronsk im sogenannten Waldkaukasus bestattet.
Eigentlich hätten der deutsche und der russische Verteidigungsminister an der Zeremonie teilnehmen sollen, doch Anfang September waren die Fronten noch wegen des russischen Georgieneinmarsches verhärtet. Die Feier war nicht minder eindrucksvoll. Veteranen in Kosakenuniform heben die Hand zum Mützenschirm, der deutsche Generalinspekteur spricht; ihm antwortet ein russischer General. Nationalhymnen erklingen, dann sorgt das Trompetensolo von „Ich hat einen Kameraden” , geblasen von einem Unteroffizier der Gebirgsjäger, für ergreifende Stimmung bis es in den Wäldern verhallt.
Es waren vor allem Gebirgsjäger-Truppen, die hier im Nordkaukasus nahezu aufgerieben wurden – aufgerieben, weil in Berlin ein Wahnsinniger regierte, dem zu diesem Zeitpunkt des Krieges bereits jeglicher Sinn für die Realtiät abhanden gekommen war. Hitler verschob die Divisionen immer hektischer und völlig unsinnig. Er hätte durch sprunghafte Entscheidungen nach der Katastrophe von Stalingrad wohl noch mehr Soldaten geopfert, wenn nicht wenigstens Teilen der Armee der Rückzug in den Westen geglückt wäre. Es gelang, weil in einem Kampf – oft Mann gegen Mann – die Sowjetarmee so lange aufgehalten wurde, dass ein Entweichen gelang.
Aufgehalten durch Soldaten wie den Gefreiten Hermann Koch, den mitten in einem Dorf, das nach Partisanen durchsucht werden sollte, eine tödliche Kugel traf. Seine Frau erhielt Wochen später die Nachricht von seinem Tod durch einen Kameraden.
Und nun steht Helmut, sein Sohn, an einer Grabstele, auf welcher der Name des Gefreiten Hermann Koch, sein Geburts- und Sterbedatum zu lesen sind. Sein Sohn ist 70 Jahre alt. Der pensionierte Lehrer hat auf seiner Reise in den Nordkaukasus auch jenes Dorf gefunden und den Dorfplatz gesehen, wo der Vater das Leben verloren hat.
Überlebt hat hingegen E.K: das Stahlgewitter. Apscheronsk hat er als junger Sanitätsobergefreiter gesehen. Damals hatte er freilich keinen Blick für die Landschaft. Er musste Menschenleben retten, wollte keinen Verwundeten liegen lassen – dafür hat er das Eiserne Kreuz verliehen bekommen, das er an diesem Tag trägt, um an diejenigen zu erinnern, die in Apscheronsk begraben sind. Ein Kämpfer ist Herr E.K. geblieben, von der amerikanischen Politik hält er wenig, viel Verständis bringt er hingegen für die Gefühle der Russen auf. Auch damals im Zweiten Weltkrieg sei es hier im Kaukasus übrigens um Öl gegangen, meint er auf den Irakkrieg anspielend.
Hinterbliebene, ihre Kinder und Enkel brauchen Orte wie Apscheronsk. Es sind Orte der Trauer und der Mahnung oder „Prediger des Friedens”, wie Nobelpreisträger Albert Schweitzer einmal gesagt hat.
Dessen ist sich auch der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge bewusst, der im Auftrag des deutschen Staates Soldaten- und Kriegsgefangenengräber im Ausland erfasst, erhält und pflegt. Daraus ist eine der effektvollsten Friedensinitiativen der Welt geworden. Denn der Verband blickt nicht nur zurück, sondern unterstützt die Begegnung junger Menschen an den Runestätten der Toten. So haben in den Tagen vor der Einweihung russische und deutsche Jugendliche die Grünflächen gepflegt und die Steinkreuze geschrubbt. Abends hat man dann zusammen gefeiert und diskutiert.
Eine 23-jährige Raumfahrt-Ingenieurin aus München zum Beispiel. Seit fünf Jahren opfert sie einen Teil ihres Urlaubs für die Kriegsgräberarbeit, allerdings würde sie ihren Einsatz nie als Opfer bezeichnen. Auch die 18-jährige Sneshana und die 17-jährige Julia aus der Gegend von Krasnodar sowie der 26-jährige Kfz-Meister machen nicht den Eindruck, Kinder von Traurigkeit zu sein. Allerdings bekommen sie einen Geschichtsunterricht, der alles übertrifft, was in Lehrbüchern steht.
An einem wichtigen Ziel angekommen scheint auch an diesem Tag eine Nürnbergerin zu sein. Am 26. August 1942 ist ihr Vater, im Zivilberuf Kaufmann, gefallen. Auch sie fand den Namen ihres Vaters, des Unteroffiziers und Funkers bei den Gebirgsjägern. Sie selbst war vier Jahre alt, als er starb. Trotzdem kann sie sich noch gut an den letzten Heimaturlaub ihres Vaters in Schlesien erinnern: „Er hatte so schöne Locken.”
Quelle:Nürnberger Nachrichten vom 15./16.11.2008